Synagogenplatz

Die beiden Bronzetafeln am Standort der ehemaligen Synagoge geben Auskunft über dieses jüdische Gotteshaus, das an dieser Stelle stand, und über die zahlenmäßige Entwicklung der jüdischen Bevölkerung in Buchau durch sechs Jahrhunderte. 

Erbaut wurde die Synagoge von 1837 – 1839 und fast hundert Jahre später, vom neunten bis elften November 1938 im Zusammenhang der Reichspogromnacht von den Vollstreckern der judenfeindlichen Propaganda zerstört. Seither spüren die Bürger Buchaus an dieser Stelle eine offene Wunde in ihrer Geschichte.

Historische Hintergründe 

Seit dem 14. Jahrhundert sind Einwohner jüdischen Glaubens in der freien Reichsstadt Buchau registriert. Als Gemeinde galten sie seit dem Jahr 1570 mit der Verleihung des Heimatrechtes. Eine jüdische Gemeinde besteht dann, wenn mindestens zehn religionsmündige, also über 13 Jahre alte Männer zusammenkommen. So entstand in Buchau zunächst ein Betsaal für diese jüdische Gemeinde. Im Gebäude Judengasse 6 befindet sich ein solcher Raum mit einer bis heute erhaltenen Kassettendecke, die sich sogar öffnen ließ, um das Laubhüttenfest zu feiern, welches erforderte, dass ein provisorisches Dach aus Laubzweigen errichtet wird.

Während in Kappel von 1793 bis 1873 eine eigene jüdische Gemeinde mit Synagoge bestand (die erste Nennung waren zwölf Familien), wuchs die Anzahl der jüdischen Mitbewohner in Buchau stark an. Die Errichtung der ersten Synagoge in der freien Reichsstadt Buchau um das Jahr 1730 vergrößerte gleichzeitig die „Einzugsgebiete“: Zum Synagogenbereich Buchau zählten damals Mittelbiberach, Aulendorf, Ravensburg und Wangen. Diese erste Synagoge stand auf der Fläche des heutigen Spielplatzes und Parkplatz beim REWE. Im rechten Teil des Parkplatzes markieren rote Pflastersteine diesen ersten Standort.

Diese Synagoge in Buchau wurde jedoch bald zu klein. Als (1803/1806) der Hofgarten des Stiftes durch die Säkularisation an den Fürsten von Thurn und Taxis kam, konnte die jüdische Gemeinde zwei Parzellen kaufen, um dort die große neue Synagoge (1837 – 1839) und ein Rabbinat (1840) zu errichten. Buchau zählte damals 736 Juden, die jüdische Gemeinde in Kappel zusätzlich 141 Mitglieder, die alle im neuen Gotteshaus Platz fanden.

„Der Bau wurde im klassizistischen Stil ausgeführt. Die mächtige Decke hatte keine Stützen, sie ruhte auf den Außenwänden. Die Frauengalerie wurde von zwölf Eichenbalken, die mit Marmorstuck verziert waren, getragen. Der in Weiß, Blau und Gold gehaltene Raum hatte eine vorzügliche Akustik. Die Einweihung der neuen Synagoge fand am 30. August 1839 statt. Nicht nur die Juden feierten dieses Fest, sondern auch die christliche Gemeinde mit Pfarrer und Bürgermeister. Rabbiner Moses Bloch, der die Einweihungsfeierlichkeiten hielt, sprach dabei ein Gebet für die christlichen Mitbürger, für die christlichen Geistlichen, für den Landesherren und für das Fürstenhaus. Es war ein Fest der ganzen Stadtgemeinde. Sogar der württembergische König war bei der Einweihungsfeier in Buchau. Die neue Synagoge galt als eine der schönsten weit und breit.“  (Zitiert aus Charlotte Mayenberger, Die Erinnerung darf nicht enden – Juden in Buchau, Biberacher Verlagsdruckerei 2018, S. 77ff)

Interessant am Erscheinungsbild der Synagoge war der Glockenturm mit Geläut und Uhr. Die Genehmigung hierzu war wohl nicht selbstverständlich, entsprach er doch nicht dem Wesen einer Synagoge. Auch die Orgel im Inneren erinnerte mehr an ein christliches Gotteshaus. Der klassizistische Stil in Weiß, Blau und Gold mochte zusätzlich den Verdacht einer Verwandtschaft mit der Ausstattung der Stiftskirche aufkommen lassen, die 63 Jahre zuvor (1776) in ihrer jetzigen klassizistischen Gestalt mit derselben Farbgebung vollendet wurde.

„In der Synagoge mit ihren Glocken und der Orgel wurde fast hundert Jahre Gottesdienst gefeiert, aber auch Konzerte wurden gegeben. Einige Buchauer können sich noch erinnern, dass sie mit ihren Eltern oder mit ihren jüdischen Freunden in der Synagoge waren, um der Orgel zu lauschen. Im Sommer 1937 wurde die Synagoge das letzte Mal renoviert.“ (Charlotte Mayenberger, Juden in Buchau, Federsee-Verlag, S. 107).

Der zunehmende Hass gegen die Juden im Nationalsozialismus gipfelte im November 1938 in der Zerstörung aller jüdischen Einrichtungen. Am 9. November 1938 wurde von Berlin über Ulm in Ochsenhausen angeordnet, die Synagoge in Buchau in Brand zu setzen. Eine Abordnung einer SA-Standarte aus Ochsenhausen schlug in Buchau auf und legte Feuer. Die Buchauer Juden bemerkten den Brand rechtzeitig und konnten ihn unter Mithilfe couragierter Mitbürger, unter ihnen Bürgermeister Öchsle, löschen.

„In der Nacht vom 10. auf den 11. November kam das Kommando wieder und zündete die Synagoge erneut an. Die Feuerwehr durfte in dieser Nacht nicht löschen. Es war ihr nur gestattet, die umliegenden Häuser zu schützen, und so blieben das 1840 erbaute Rabbinat und das Schuhhaus Bernheim neben der Synagoge verschont.“ (Juden in Buchau, S. 110).

„Nach dem zweiten Brand standen nur noch die Umfassungsmauern der Synagoge. Die 85 cm dicken Grundmauern wurden am 18. November 1938 gesprengt, wofür die Buchauer Juden zahlen mussten.“ (Juden in Buchau, S. 117).

Durch sein Einschreiten zum Löschen des ersten Brandes und durch die Absicht, dass die jüdische Gemeinde in einem Schenkungsvertrag das Grundstück mit der zerstörten Synagoge an die Stadt übertragen sollte, zog sich Bürgermeister Öchsle jedoch das Missfallen des Reichsministers des Inneren zu. Es wurde Buchau verwehrt, dieses „Geschenk“ anzunehmen, da es nicht mit den rassischen Grundsätzen des Nationalsozialismus vereinbar sei.

„Mit der Zerstörung der Synagoge wurde auch ein über Jahrhunderte gewachsenes Zusammenleben zerstört. Die Buchauer Juden konnten es nicht fassen, dass ihr Gotteshaus, das für viele Bürger, Juden und Christen, ein offenes Gotteshaus war, von Menschenhand zerstört wurde. 1940 wurde die jüdische Gemeinde offiziell aufgelöst.“

(Juden in Buchau, S. 119).

Noch in der Nacht der Pogrome, am 09. November 1938, wurden etliche Buchauer Juden ins Konzentrationslager nach Dachau deportiert. Alle kamen nach einigen Wochen wieder zurück, Hermann Weil starb jedoch an den Folgen der schweren Misshandlung. Wer nicht rechtzeitig auswandern konnte, wurde später erneut nach Dachau oder aber in andere Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert. 

„Lange Jahre wurde der Platz der Synagoge als Park genutzt. An der Stelle, an der früher die Thoralade gestanden hatte, wurde eine Trauerweide gepflanzt, die heute noch steht. Das Grundstück… ist heute im Besitz der Familie Einstein.“ (Juden in Buchau, S. 123).

Einzelne Gegenstände aus der Synagoge oder aus Privatbesitz sind im Gedenkraum „Juden in Buchau“ in der Badgasse, im flachen Anbau der Tourist-Information zu sehen (geöffnet von April bis Ende Oktober immer sonn- und feiertags von 14.00 – 16.00 Uhr).

Gedenktafeln 
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Spiritueller
Impuls

Kaddish, jüdisches Totengebet 

„Erhoben und geheiligt werde sein großer Name in der Welt,
die er nach seinem Willen erschaffen.
Er lasse sein Reich kommen
in eurem Leben und in euren Tagen
und in dem Leben des ganzen Hauses Israel,
bald und in naher Zeit. Darauf sprecht: Amen.

Sein großer Name sei gepriesen
in Ewigkeit und Ewigkeit der Ewigkeiten!

Gepriesen und gelobt, verherrlicht und erhoben, erhöht und gefeiert,
hoch erhoben und bejubelt werde der Name des Heiligen,
gelobt sei er, der erhaben ist über allen Preis und Gesang,
Lob und Lied, Huldigung und Trost, die in der Welt gesprochen werden.
Darauf sprecht: Amen,

Des Friedens Fülle und Leben möge vom Himmel herab
uns und ganz Israel zuteil werden,
– Darauf sprecht Amen,

Der Frieden stiftet in seinen Höhen,
er stifte Frieden unter uns und ganz Israel.
Darauf sprecht Amen!“

„Größe entsteht zunächst – und immer – aus einem Ziel, das außerhalb des eigenen Ichs gelegen ist.“

Antoine de Saint-Exupéry