Ein Artikel in der Schwäbischen Zeitung von Brigitte Braun

Als Symbol für den Monat Mai zeigt der Kanzacher Jubiläumskalender das kostbare Wetterkreuz,  das seit Generationen und bis zum heutigen Tag bei Bittgängen mitgeführt wird. Dieses wertvolle Kreuz, mit dem auch der Wettersegen erteilt wird, ist vermutlich eine Augsburger Arbeit aus dem Rokoko und beinhaltet in seinem Zentrum zwei überkreuzte Holzstücke, die das Kreuz versinnbildlichen.

„Vor Blitz, Hagel und Ungewitter…“: So beginnt die Erteilung des Wettersegens am Ende der heiligen Messe in den Sommermonaten. Besonders in den Tagen vor Christi Himmelfahrt, der sogenannten Bittwoche, wird noch heute – wenn auch in kleinerer Form – um diesen Segen gebeten. Heutzutage ist das Ziel des ersten Bittgangs am Montag Sailers Kreuz am Ortsausgang Richtung Riedlingen, am Dienstag führt der Weg nach Dürnau und am Mittwoch kommt die Nachbargemeinde Dürnau nach Kanzach, wo dann an Christi Himmelfahrt ein gemeinsamer, festlicher Gottesdienst in der Fuchsgrube gefeiert wird.

Noch bis Anfang der 1970er-Jahre waren diese Bittgänge wesentlich größer. Am Montag führte der Weg in den Seelenwald zu Blanks Kreuz, am Dienstag war das Käppele beim Seelenhof das Ziel und am Mittwoch besuchte man die Nachbargemeinde Dürnau. Den Höhepunkt der Bittwoche bildete an Christi Himmelfahrt die große Öschprozession, bei der man die Gemeinde in alle vier Himmelsrichtungen umrundete; zuerst Richtung Norden zu Sailers Kreuz, danach nach Osten zu Wolfens Kreuz in der Nähe des Seelenhofs, dann über die Alte Poststraße zu Schillings Kreuz im Süden und schlussendlich zum Roten Kreuz im Westen; ein langer Prozessionsweg, der gut drei Stunden in Anspruch nahm.

Von jeher war der bäuerlich geprägten Bevölkerung bewusst, wie elementar wichtig die Natur für das Wohlergehen der Menschen war. Eine kurze, heftige Frostperiode im Frühjahr reichte schon aus, um eventuell in diesem Jahr nur sehr wenige Äpfel und Birnen zu ernten, was als Konsequenz bedeutete, dass man im Herbst weder Apfelsaft pressen, zu Most vergären oder auch Obstwasser brennen konnte und auch im Winter kein Obst zum Essen hatte. Ein starkes Gewitter mit Hagelschlag im Juni konnte bedeuten, dass die angebauten Gemüsepflanzen im Bauerngarten zerfetzt wurden und es weder Salat, noch Kohlrabi, Erdbeeren oder gar Kirschen gab. Wie furchtbar konnten sich Gewitter im August auswirken, wenn ganze goldfarbene, reife Getreidefelder an einem Nachmittag durch einen heftigen Gewittersturm niedergewalzt wurden, so dass die reifen Körner in kürzester Zeit am Boden zu keimen begannen, so dass gewaltige Ernteausfälle zu verkraften waren oder lang anhaltender Regen die Kartoffeln noch in der Erde faulen ließ. Solche wetterbedingten Vorfälle hatten schwerwiegende Auswirkungen, angefangen von finanziellen Einbußen, was noch das Geringste war, über mangelndes Saatgut für das kommende Jahr bis hin zu schwersten Hungersnöten für Mensch und Vieh.

Heutzutage nimmt man Ernteausfälle zwar zur Kenntnis, aber sie wirken sich nicht mehr so drastisch aus; das Einzige, was der Verbraucher eventuell spürt, ist der gestiegene Preis für heimische Güter an der Kasse. Durch die modernen Transportwege können Anbaugebiete rund um den Globus herangezogen werden, so dass der Mangel nicht unmittelbar spürbar wird. Haben wir keine heimischen Erdbeeren, kommen sie eben aus Spanien; sind Himbeeren nicht im Inlandsangebot, kein Problem, südamerikanische oder indische Plantagen liefern auch im Winter.

Und dennoch, wie brandaktuell und brisant das Thema Wetter ist, zeigt die Klimaänderung mit all ihren Auswirkungen; Überschwemmungen, Starkregen, Dürrekatastrophen, Abschmelzen der Gletscher weltweit offenbaren uns, wie klein und ohnmächtig der Mensch angesichts dieser Naturgewalten ist und wie wichtig es ist, Achtung und Respekt vor Schöpfung und Natur zu haben.

Foto: Gemeinde Kanzach

Die große Öschprozession Ende der 1960-/Anfang 1970er-Jahre. von links: Anton Hospach, Josef Müller, Anton Wahl, Josef Herwanger, […], Xaver Borst, Anton Leidig