Peter- und Paul-Kirche in Kappel

An dieser Stelle stand schon eine frühmittelalterliche Kapelle, die um 1150 durch einen Reichenauer Mönch ausgemalt wurde (vgl. Fresken in der Taufkapelle). Noch sichtbar ist auch die aus dieser Zeit stammende Wehranlage um die Kirche. 

Dieses Gotteshaus war bis zur Säkularisation 1803 die „Leutekirche“ der Buchauer und Kappler Bürger. 1927 erfolgte der Abbruch der zu klein gewordenen Barockkirche, die noch geostet war. Seither ist die Blickrichtung zum Altar jetzt nach Süden hin. Der Chor der ehemaligen Kirche ist als Taufkirche erhalten und integriert.

Ein schicksalshafter Tag für die Kirche war der 27.06.1935: Bei einem Erdbeben stürzte der Turm in die Kirche hinein. Die letzte Renovation wurde im Jahr 1990 durchgeführt.

Bei der Kirche St. Peter und Paul in Kappel befindet sich seit jeher der Friedhof für die Bürger der Stadt Buchau und der Ortschaft Kappel. Hier wird noch einmal deutlich, dass die Stiftskirche und das ganze Stift Buchau bis zur Säkularisation 1803 für die Bevölkerung keine Bedeutung hatte, sondern ausschließlich den adeligen Stiftsdamen vorbehalten war.

Historische Hintergründe – Von der Romanik bis in die Moderne

Hochaufragend am Südufer des Federsees thront die Kirche St. Peter und Paul. Sie ist weithin sichtbar und wacht als Vorbotin über Stadt und Stift Buchau. Betritt der Besucher das Kirchenareal, spürt er unwillkürlich, dass er tief in die Geschichte einschreitet. Er begegnet Zeugnissen aus einer fast tausendjährigen Geschichte.

Die Kirche ist bewehrt durch eine mit Schießscharten versehene Mauer. Die heutige Taufkapelle wurde ausgemalt mit hochromanischen Wandfresken, die ein Reichenauer Mönch um das Jahr 1150 hier geschaffen hat. Stilvergleiche haben zu dieser Erkenntnis geführt. Durch die Feuchtigkeit stark in Mitleidenschaft gezogen lassen sie sich dennoch als ältester Freskenzyklus Oberschwabens ausmachen: links des Scheitelpunktes der ehemaligen Apsis im Osten der ersten Kirche findet sich ein Christus Pantokrator in einer Mandorla. Diese Darstellung der Majestas-Domini war in ihrer Entstehungszeit eine durchaus politische Aussage mit hohem Anspruch, wo es um die Vorherrschaft von kirchlichen über weltliche Amtsträger ging (Investitur-Streit zwischen Papst und Kaiser: Wer setzt wen ein?). Der herrschende Christus ist umgeben von je sechs Aposteln auf jeder Seite, ganz außen auf der rechten Seite König David und auf der linken Seite der Erzengel Gabriel. Die Personengruppen sind nach oben hin durch einen Mäander-, nach unten durch einen Zickzackfries abgeschlossen. Diese Wandfresken waren viele Jahrhunderte verborgen, wurden jedoch 1866 wieder entdeckt an den Seitenwänden des polygon endenden Chorraumes.

Um diese imposante Anlage von Kirche und Friedhof hat sich ein alter Ortskern entwickelt. Für seine Bedeutung muss man sich immer wieder vergegenwärtigen, dass das Kloster und später das Stift Buchau viele Jahrhunderte hindurch als Insel im Federsee existierte. Diese Insel erhielt erst im Laufe der Zeit einen direkten Zugang durch Dämme, die heute noch als Wuhr- und Schussenrieder Straße erkennbar sind. Erst die große Entwässerung des Federsees, die im Jahre 1787 begann, hat die Verhältnisse verändert. Für die Bürger der Stadt gab es auf der Insel keinen Friedhof, sie werden von alters her bis heute auf dem Friedhof bestattet, der zur Kappeler Kirche gehört. Auch der erste Judenfriedhof befand sich in Kappel, bevor er am Südende der Insel Buchau eingerichtet wurde.

Daher war die Kappeler Kirche auch die Pfarrkirche für die Stadtbewohner. Die Stiftskirche war nur für die Gottesdienste und anderen Belange der Stiftsdamen gebaut. Das änderte sich grundsätzlich mit der Säkularisation im Jahr 1803. Nun wurde Kappel zur Filiale der Federseepfarrei.

Im Jahr 1742 wurde an Stelle der romanischen Kirche ein barockes Kirchenschiff erbaut, das 1927 wieder abgerissen werden musste, weil es zu klein war. In diesem Jahr wurde zwischen dem noch erhaltenen romanischen Chor und dem spätmittelalterlichen Turm wieder ein neues Kirchenschiff eingefügt, dessen Chorraum nun im Süden lag. Landeskonservator Wilhelm Friedrich Laur aus Sigmaringen schaffte einen großzügigen neuen mit romanisierenden Bögen versehenen Gottesdienstraum, der durch die alte Apsis im Osten und den Turm im Westen eine harmonische Vierung entstehen ließ. Sieben Jahre später, am 27.06.1935, zerstörte jedoch ein Erdbeben das neue Dach. Die Turmspitze schlug in die Kirche ein. Bei einer umfassenden Renovation 1968 erhielt die Kirche im wesentlichen das Aussehen, das sie heute hat. Josef Henger aus Ravensburg gestaltete Altar, Ambo und Tabernakel. Bei dieser Gelegenheit fand die spätgotische Kreuzigungsgruppe (um 1500) ihre aktuelle Bestimmung an der Altarrückwand, die beiden Kirchenpatrone Petrus und Paulus von Johann Eucharius Hermann vom ehemaligen Hochaltar (1711) ihren Platz vor dem Chorbogen, eine Täuferfigur aus den selben Jahren im rechten vorderen Bereich und das Abendmahlsrelief (um 1515) seinen folgerichtigen Platz am Tabernakel. Die Wandmalereien im hinteren Teil der Kirche zeigen die beiden Buchauer Seligen, Irmengardis, erkennbar an der Gewandung als Äbtissin, und Adelindis, die weltliche Herrscherin und Stifterin, erkennbar an ihrer Trauer-Haltung, zusammen mit den dazugehörigen Männern: dem Urgroßvater von Irmengardis, Karl dem Großen, und mit dem Grafen Hatto, Gatte der seligen Adelindis. Gegenüber finden wir die vier Evangelisten. Weiter vorne sehen wir den in Altshausen geborenen Reichenauer Mönch und Universalgelehrten Hermann den Lahmen, der in seiner „Weltgeschichte“ die „Buchau“ in einer Reihe mit der „Reichenau“ erwähnt. Die Deckengemälde zeigen die Kirchenpatrone Petrus und Paulus in Momenten, in denen sie „am Boden“ zerstört waren, die aber zugleich Anfänge ihrer Bekehrungen sind: Paulus, nachdem er vor Damaskus zu Boden gestürzt war und Petrus, als er über das Wasser gehen wollte und unterzugehen begann.

Diese Malereien stammen von Alfred Vollmar (1893 – 1980) und Josef Nicklas (1893 – 1974).

Darstellung von Hermann dem Lahmen, Universalgelehrter und Mönch auf der Reichenau

Rechts des Eingangs zur Taufkapelle finden wir ein Bild mit der Darstellung der Überreichung des Rosenkranzes durch die Gottesmutter Maria an den heiligen Dominikus, der ihn zu Beginn des 13. Jahrhunderts in der Kirche einführte. Links davon eine Darstellung der Kindheit Mariens: Maria zwischen ihren Eltern Joachim und Anna, die sie die heilige Schrift lehren, das Wort Gottes, das sie selber später ganz konkret empfangen sollte.

Bei der Treppe zur Orgelempore erinnert auf einem Sockel eine Herz-Jesu-Figur an das sich verströmende Herz Gottes, auf der anderen Seite des Haupteingangs lädt eine bescheidene ungefasste Holzfigur des heiligen Antonius von Padua den Gläubigen zur hilfreichen Anrufung ein, wo immer es um das Finden oder Wiederfinden von Mensch zu Mensch genauso wie der kleinen Dinge geht. Noch weiter zur Außenseite hin, in der hinteren Verlängerung des Außengangs hat die Gottesmutter von Schönstatt in einer angedeuteten Nische Platz genommen. Ihre Verehrung am Ort begann mit Kaplan Benno Wieland (1951 – 1959 hier Kaplan).

Alles in allem vermittelt diese Kirche den starken Eindruck lebendiger Kirchengeschichte, durch Zeit und Raum verdichtet – diese Kirche berührt.

Spiritueller
Impuls

Und wieder erleben Sie hier „Ankommen und Abschiednehmen“: 

In der Kirche in Kappel werden neben den gewöhnlichen Gottesdiensten hauptsächlich Taufen, Trauungen und Trauergottesdienste zu den Begräbnissen gefeiert. Freude und Hoffnung, Trauer und Angst (wie im Konzilsdokument „Gaudium et spes“ wörtlich genannt) begegnen sich auch hier: Kommen und Gehen, Anfang und Ende, einfach das Ganze des Lebens, vom Sakrament des Eintritts in das Leben bis hin zur Feier der Verabschiedung im Begräbnis. 

Das Neugeborene wird durch das erste grundlegende Sakrament, die Taufe, in die Glaubensgemeinschaft der Christen aufgenommen. Die Eltern erhoffen sich für den Täufling mit Gottes Hilfe ein glückliches, gesundes und gelingendes Dasein.

Die Kirche vermittelt auch beim Anlass der Trauung Geborgenheit und eine familiäre Aufgehobenheit. Das Brautpaar erhofft sich durch das Sakrament der Trauung Gottes Hilfe in guten und schlechten Tagen auf dem gemeinsamen Lebensweg, der hier beginnt. Voll Freude und Hoffnung verlassen die Brautpaare die Kirche nach der Hochzeitsfeier. 

Mit der Beerdigung werden hier Menschen verabschiedet, die ihr neues Leben nach dem Tod beginnen. Auch wenn wir uns nicht vorstellen können, wie dieses neue Leben aussehen soll, glauben wir doch daran, dass mit dem Tod nicht alles endet. Machen Sie einen Spaziergang über den Friedhof und erinnern Sie sich an die vielen Menschen, die Ihr Leben in Bad Buchau gelebt haben. 

Was hat es mit dem Neubeginn auf sich? Sich auf den Weg machen? Ob am Anfang eines Lebens, in der Mitte, oder gar am Ende. Lassen wir uns darauf ein, oder verdrängen wir oft vieles? Könnte jeder Tag ein Neubeginn sein? Oder lassen wir uns in unserem Trott und Alltag auf nichts Neues ein? Haben wir schon einmal an unseren eigenen Tod gedacht? Hinterlassen wir Spuren wenn wir einmal nicht mehr sind? 

Wie ein Leuchtturm am Federsee steht der Turm und diese Kirche da: ein Hoffnungszeichen für die Menschen auf dem Weg durch ihr Leben. Die Schlichtheit der Innenausstattung ist „ihr ganzer Stolz“: sie ist ein Zeichen des Volkes, der Menschen, die hier leben, angesichts der reichen Pracht der Stiftskirche, die für den Adel gebaut wurde und wie eine Schatztruhe wirkt. Das lässt sich auch an der Darstellung der Muttergottes ablesen: in der Stiftskirche begegnen wir einer strahlenden, sieghaften Maria, in der Kappler Kirche einer schlichten und in sich ruhenden Frau. 

Maria ist beides. Daher ist es schön, beide Seiten in unseren Kirchen dargestellt zu haben. Die Botschaft dieser Kappler Kirche wird noch unterstrichen durch ihre Architektur:

Die den romanischen Bögen nachempfundenen Linien in dieser Kirche vermitteln Ruhe und Kraft.

Die Kirche feiert das Patrozinium Peter und Paul. Auch diese beiden „Apostelfürsten“ begegnen den Besuchern hier ganz unfürstlich, eben menschlich nah. In den beiden runden Deckengemälden sind sie mit ihren jeweiligen Niederlagen dargestellt: Petrus auf dem Gang über das Wasser, in das er mangels Vertrauen unterzugehen droht und Paulus vor Damaskus, als er buchstäblich am Boden war. Die Erkenntnis Jesu, des Herrn, haut die beiden glatt um.

Wie gelingt Ihnen denn der Umgang mit Ihren Grenzen? Ihren Niederlagen?

Müssen wir immer perfekt sein? Können wir uns nicht auch selber vergeben?

Wie gehe ich mit den Schwächen meiner Leitbilder um? Haben sich diese Leitbilder für mich dann erledigt oder gewinnen sie dadurch an Menschlichkeit?

Die Wandgemälde des Hermann von Altshausen in der Abfassung des Salve Regina, die Buchauer Seligen Irmengardis mit ihrem Urgroßvater Karl dem Großen und Adelindis mit ihrem Gatten Hatto stellen noch einmal den Bezug zu den Ursprüngen dieses Ortes dar: Wer stand eigentlich am Anfang Ihres Glaubens, welchen Personen verdanken Sie Ihre Glaubensgeschichte? 

„Größe entsteht zunächst – und immer – aus einem Ziel, das außerhalb des eigenen Ichs gelegen ist.“

Antoine de Saint-Exupéry