Liebe Gläubige,

mit dem Erreichen der Sommerferien scheint der Kampf durch dieses sehr außergewöhnliche erste Halbjahr zunächst gewonnen zu sein. Und für die Zukunft leben wir doch alle in der unausgesprochenen Hoffnung, dass sich die Situation der alles beherrschenden Virus-Krise weiter entspannt und dass wir im Herbst wieder mehr vom gesellschaftlichen Leben aufnehmen können. Unsere Gruppierungen möchten sich wieder treffen, die Chöre möchten wieder singen, die Gottesdienste sollen alle wieder gefeiert werden, Erstkommunionen nachgeholt, die Firmung soll stattfinden können…

Unabhängig von diesen Umständen beschleicht uns jedoch das Gefühl, dass sich auch in der Gesamtlage der Kirche einiges ändert. Es wird von Rekordzahlen bei Kirchenaustritten berichtet, der Synodale Prozess der Diözesen Deutschlands kommt nicht so recht voran, und wir können nur hoffen, dass die Zeit des Lockdowns für viele nicht eine Zeit der stillen Verabschiedung von der Kirche war. Das wird sich weisen.

In unseren Federsee-Gemeinden leben wir unser Kirche-Sein noch in stark geprägten Formen. Unsere Kirchengemeinderatsgremien haben sich in der Mehrheit sehr schwer getan mit der „Schriftrolle“ als prozessorientierte Betrachtungsweise unseres Handelns. Das stellt uns zusätzlich vor die große Herausforderung, wie wir das Gute und Lebendige unserer Kirchengemeinden hinüberführen können in eine neue Zeit der Kirche, die sich überhaupt nicht mehr aus der Volkskirche und ihren Gewohnheiten bestimmt.

Zur Gleichgültigkeit gegenüber dem Glauben und der Kirche kommen immer mehr konkrete Angriffe: Die deutschen Sicherheitsbehörden haben für das Jahr 2019 insgesamt 64 christenfeindliche Angriffe in Deutschland gezählt. Darunter fallen zunächst noch ausschließlich tätliche Angriffe, Sachbeschädigungen an Kirchen, Friedhöfen, anderen christlichen Einrichtungen. Auch Zerstörungen von Gipfelkreuzen in den Bergen als Ausdruck der Ablehnung von christlichen Zeichen in der Öffentlichkeit nehmen immer mehr zu. Wie lange wird es dauern, bis auch bei uns wieder Menschen zum Opfer solcher Angriffe werden, wie es in vielen Ländern immer schon traurige Realität ist?

Das fordert uns heraus. Unser Bekenntnis ist gefragt. „Wollt auch ihr weggehen?“ fragt Jesus seine Jünger (Joh 6,67), also auch uns. Das mutige Beispiel unseres damaligen Bischof Johannes Baptista Sproll wird ja eigenartiger Weise erst in diesen Jahren so richtig gewürdigt. Das ist doch kein Zufall, sondern eine konkrete mahnende Zeitenstimme.

Getrauen Sie sich ruhig, sich auch in der Öffentlichkeit zu bekreuzigen. Wir brauchen uns nicht für unser Christsein zu schämen. Bezeugen wir unseren Glauben durch den Respekt vor Kreuzen, Kirchen, Glocken, und noch mehr vor der christlichen Kultur, die immer mehr zurück gedrängt wird. Der Urlaub entpflichtet uns nicht davon, er macht uns sogar sensibler dafür durch die Begegnung mit anderen Orten und Menschen.

Eine gesegnete, gottvolle Zeit wünsche ich Ihnen, mit den besten Grüßen des ganzen Pastoralteams,
Ihr Pfarrer Martin Dörflinger